Unsettled Territories
06.06. - 18.06.2025
Agil Abdullayev & Killa Schütze
In Räumen, die sich klaren Blicken entziehen – im flackernden Licht der Tanzfläche oder im schützenden Schatten nächtlicher Parks, in Darkrooms und Toilettenkabinen – betreten wir Zonen, die sich festen Strukturen widersetzen. Ebenso ungewiss wie zwanglos eröffnen diese Orte immer wieder das Potenzial, andere Formen des Zusammenseins, abseits normativer Gewalt, zu verhandeln.
Mit Unsettled Territories begeben sich die Künstler:innen Agil Abdullayev und Killa Schütze in diese unscharfen, ungeklärten Gebiete, um die Sprache und Bewegung von Körpern innerhalb einer Welt zu befragen, die ihnen Sicherheit oft verweigert.

Eine streifende Hand, ein gehaltener Blick oder ein kurzes Innehalten zwischen zwei Körpern. All das kann den leisen Beginn eines Cruises in öffentlichen oder halböffentlichen Räumen andeuten. Eine subtile Choreografie entsteht, gezeichnet von Risiko ebenso wie von Begehren.[1]
Diese Gleichzeitigkeit aus Prekarität und Intimität im Cruisen überträgt sich auf stählerne Zweige im Ausstellungsraum, die abweisend und abschirmend zugleich uneingeladene Blicke zu durchkreuzen scheinen. Entlang verborgener Ränder des Sichtbaren (re)konstruiert Agil Abdullayev Szenarien, in denen queere Lust und Intimität aufkeimen. Über den Raum verteilt finden sich Überbleibsel solcher Begegnungen, festgehalten in Keramik. Doch enden die Spuren dieser Interaktionen nicht im Raum. Über die Jahre hinweg schreiben sie sich in die Körper ein: beim Cruisen auf unebenem Stein, hartem Asphalt oder kalten Fliesen schmerzen die Gelenke und ermüden die Knie. Dort, wo der harte Boden Spuren hinterlässt, formt sich nun glasierte Keramik als intimes Artefakt der körperlichen Entlastung und symbolischen Fürsorge. Hier entfalten sich Momente, in denen die codierten Sprachen öffentlichen queeren Begehrens greifbar werden. Zwischen dem Nachklang dieser flüchtigen Szenen, lässt uns Adullayev durch eben noch bewegte Orte streifen, die immer wieder einfordern, um- und hinter sich zu schauen – auf unwillkommene Blicke ebenso wie auf jene, die vor uns waren und diese temporären Räume der Intimität bereiteten.
Doch gebeugte Gelenke können nicht nur schmerzen, sie können auch Schmerz bereiten, abwehren statt einknicken und Grenzen markieren. Als körpergewordene Form des Widerstands dringen fünf Ellenbogen aus Gips in den Ausstellungsraum ein. Sie versperren den Weg, schieben sich unnachgiebig dazwischen. Hier untersucht Killa Schütze die gestische Grammatik körperlicher Präsenz, wie sie von weiblich gelesenen Subjekten in hegemonial maskulin codierten Räumen performativ hervorgebracht wird. Die Künstlerin operiert dabei auf einer Metaebene, auf der nicht nur Bewegungsmuster sichtbar werden, sondern auch die Einschreibungen gesellschaftlicher Machtverhältnisse in den Körper selbst verhandelt werden.
In denen Blicke streng sind, Regeln klar und Positionen hart umkämpft. Doch werden diese Räume in Schützes Arbeiten nicht allein durch Abwehr beansprucht, sondern auch durch Zuwendung, Fürsorge und Sanftheit. Fotografien begleiten Augenblicke, in denen sich Körper aus der erlernten Haltung der Härte herausbewegen. Momente, in denen Kräfte schwinden, wenn die Energie nicht mehr reicht und die Abwehr nachlässt. Kleine Handlungen und intime Details bilden Zwischenräume, in denen Gemeinschaft und Verletzlichkeit spürbar werden: eine subtile Tätowierung, das sorgsame Kämmen der Haare. Doch während auf der einen Fotografie noch alles in sich zu ruhen scheint, wird diese Ruhe in der anderen bereits gestört.
Eine Hand knibbelt sanft – und so scheint es – fast gedankenverloren an einem Nagel. Doch dieser offenbar stille Augenblick ist nicht frei von Spannung. Bei der von Schütze angewandten Technik des Subscans bringen vibrierende Bässe einer Lautsprecherbox das Bild während des Scannens aus dem Gleichgewicht. Der Klang überträgt sich auf diesen zurückgezogenen, in sich gekehrten Moment und versetzt das Bild in Unruhe. Indem sich die Künstlerin aus der gestalterischen Kontrolle zurückzieht und äußere Kräfte wie Zufall und Klang einwirken lässt, verschiebt sich der schöpferische Akt vom Machen zum Geschehenlassen. Immer wieder scheinen sich Schützes Arbeiten an Schwellen zu bewegen und diese unklar werden zu lassen. Einladend ebenso wie abwehrend eröffnen sie Momente, in denen Verletzlichkeit nicht Schwäche bedeutet, sondern Fürsorge und Stärke zugleich.
In Unsettled Territories begeben sich Agil Abdullayev und Killa Schütze gemeinsam an Orte, die oft nur flüchtig Schutz gewähren. Sie erinnern daran, dass Ruhe, Sinnlichkeit und Gemeinschaft niemals selbstverständlich waren, sondern stets umkämpft sind. Entlang wummernder Sub-Bässe, feuchter Taschentücher und sanfter Fußabdrücke erzählen Ihre Arbeiten unzählige Geschichten gleichzeitig. Dabei verlassen sie gerade Wege, klare Grenzen werden durchlässig: zwischen Härte und Zärtlichkeit, zwischen Körperlichkeit und Sprache, zwischen dem Jetzt und dem not-yet.[2] Abweisung wird hier ebenso wie Intimität und Lust zu Praktiken der fürsorglichen Gesten. In angezogenen Ellenbogen als scharfe Kanten, die schützen, und gebeugten, ermüdeten Knien, die geschützt werden, liegt der vorsichtige Versuch alternativer Zukünfte – als konkrete Utopien, die für einen Augenblick greifbar werden.
Reading session & Aperitivo: June 14, 6 pm
Hard closing with Dyke Truck: Daisy Bar: June 18, starting at 6 pm
Kuration & Text: Alina Homann & Franka Marlene Schlupp
Artist editions available on request
www.killaschuetze.com
www.agilabdullayev.info
[1] Cruising bezeichnet das Umhergehen oder -fahren in bestimmten Gegenden, sogenannten Cruising Grounds, auf der Suche nach einem Sexualpartner. Diese Begegnungen sind in der Regel einmalige, anonyme Treffen. Der Begriff entstand Anfang der 1960er Jahre als schwuler Slangausdruck. Er diente Eingeweihten dazu, sexuelle Treffen zu verabreden, ohne die Aufmerksamkeit von Personen auf sich zu ziehen, die sie den Behörden melden oder ihnen Schaden zufügen könnten, Quelle: Dunbar, Chris: „Cruising“, 2020, URL: https://blgbt.org/cruising/, abgerufen am 10.03.2025.
[2] Vgl. Muñoz, José Esteban: Queerness as Horizon. Utopian Hermeneutics in the Face of Gay Pragatism, in: Ders.: Cruising Utopia. The Then and There of Queer Futurity, New York 2009, S.19 -33.
EN
In spaces that elude a clear vision – in the flickering light of the dance floor or in the protective shadows of parks at night, in darkrooms and toilet cubicles – we enter zones that defy settled structures. As uncertain as they are unforced, these places repeatedly open up the potential to negotiate other ways of togetherness, moving away from normative forms of violence.
With Unsettled Territories, artists Agil Abdullayev and Killa Schütze venture into these blurred, indistinct realms, interrogating the movement and language of bodies in a world that often denies them safety.
A grazing hand, a held gaze or a brief lingering between two bodies. Each can signal the subtle emergence of a cruise in public or semi-public space. A subtle choreography unfolds, marked by risk as much as by desire. This simultaneity of precarity and intimacy continues in the exhibition space, where steel branches stretch across the wall, seeming to both repel and shield uninvited glances.[1]
Moving along the hidden edges of the visible, Agil Abdullayev (re)constructs scenarios in which queer intimacy and desire begin to emerge. Traces of such encounters are scattered throughout the room, captured in ceramics. However, these remnants do not simply remain in the room, they continue to inscribe themselves in the bodies that perform them. Over time, the act of cruising across uneven pavement, stone, or cold tiled floors wears on the body: joints ache, knees tire. Where once hard ground left marks, glazed ceramics now take shape as an intimate artefact of physical relief and symbolic care.
In these works, moments unfold in which the coded languages of public queer desire become tangible. Adullayev lets us stroll through the echoes of these fleeting scenes. As we move between places that have just been in flux, we are repeatedly urged to look around and behind us — at unwelcome glances as well as at those who came before.
But bent joints do not only tire – they can also cause pain, ward off instead of buckling and mark boundaries. As embodied forms of resistance, five plaster elbows penetrate into the exhibition space. They block the way, pushing themselves relentlessly in between. Here, Killa Schütze explores the gestural grammar of bodily presence as performatively enacted by female-read subjects within hegemonically masculine-coded spaces. The artist operates on a meta-level, where not only patterns of movement become visible, but also the inscriptions of societal power relations onto the body itself are negotiated. Yet Schütze’s works do not frame resistance only through hardness. They also trace moments of care, of vulnerability and release. Photographs accompany moments in which bodies shift out of learned postures of defence – when strength falters and the armour softens. Small actions and intimate details create spaces in which community and vulnerability become tangible: a subtle tattoo, the careful brushing of hair.
But while everything still seems to be at peace in one photograph, this calm is already disturbed in the other. A hand absentmindedly picks at a fingernail – a seemingly still moment, but not without tension. In the subscan technique used by Schütze, vibrating bass of a subwoofer interfere with the scanning process, destabilizing the image. Sound enters the body of the photograph, disrupting its stillness. By withdrawing from compositional control and allowing chance and external forces to intervene, Schütze shifts the act of creation from doing to letting happen. Schütze’s works seem to move along thresholds – and blur them. Inviting and defensive at once, they open moments in which vulnerability is not weakness, but care and strength at the same time.
In Unsettled Territories, Agil Abdullayev and Killa Schütze move together into spaces that offer only fleeting shelter. They remind us that rest, sensuality, and communality have never been guaranteed – they have always been negotiated, often against the grain. In Unsettled Territories, Agil Abdullayev and Killa Schütze move together into spaces that often offer only fleeting sanctuary. They remind us that peace, sensuality and community have always been contested. Their works tell many stories at once: following vibrating basslines, wet tissues and soft footprints, they trace paths beyond linear narratives. Clear borders dissolve – between hardness and tenderness, between physicality and language, between the now and the not yet to come.[2] Here, rejection and strict door policies become caring, protective gestures, as do intimacy and desire. With tightened elbows as sharp edges that protect and bent, tired knees that are protected, the artists give a glimpse into alternative futures making concrete utopias tangible and perceptible for a moment.
[1] Cruising is walking or driving about certain areas, called cruising grounds, looking for a sexual partner. These meetings are usually one-off, anonymous encounters.The word originated as a gay slang term, sometime in the early 1960s, as a way for people who knew its meaning to arrange sexual meetings. It was a way to plan sexual encounters without attracting the attention of people who may wish to report them to the authorities, or inflict harm. Dunbar, Chris: Cruising, 2020, URL: https://blgbt.org/cruising/, 10.03.2025.
[2] Vgl. Muñoz, José Esteban: Queerness as Horizon. Utopian Hermeneutics in the Face of Gay Pragatism, in: Ders.: Cruising Utopia. The Then and There of Queer Futurity, New York 2009, S. 19-33.
